Textprobe aus: »Familie Hollerbach«
Rundfunkserie in SWR4 Rheinlandpfalz
Der Weihnachtsgips
Familie Hollerbach sitzt nach der Bescherung beim Abendessen.
»Was ist denn jetzt kaputt?«, fragt Kevin, als seine
Schwester Anna plötzlich feuchte Augen bekommt.
»Tut dir dein Fuß weh?«, fragt Mama besorgt.
»Nein.« Anna zieht die Nase hoch. »Überhaupt nicht.«
Kevin tippt sich an die Stirn. »Die hätten ihr im Krankenhaus
besser
den Kopf eingegipst.«
Anna hat sich kurz vor Weihnachten beim Rollschuhfahren am
Knöchel
verletzt. Er wurde dick wie ein Gummiball und tat höllisch weh.
Vier
Tage hat es gedauert, bis der Knöchel endlich abgeschwollen war
und
eingegipst werden konnte. »Ich hab euch angelogen«, sagt Anna.
Mama Hollerbach zieht die Augenbrauen hoch. »Und womit?«
»Die Geschichte mit dem Gips …«, sagt Anna, »… sie
ist - gelogen.«
»Haben sie dir das falsche Bein eingegipst?«, fragt Papa.
»Neiiin«, sagt Anna gedehnt. »Aber es ist nicht beim
Rollschuhfahren
passiert.«
»Ist ja auch zu doof, sich beim Rollschuhfahren den Fuß zu
verdrehen«,
sagt Kevin.
»Sei still«, schnauzt Anna ihn an und richtet sich wieder an
die Eltern:
»Mir ist die Leiter umgekippt, als ich in eurem Schlafzimmer
nach den
Weihnachtspäckchen gesucht habe.«
»Zu dumm«, sagt Papa. »Da hatten wir gar nichts versteckt.«
Anna blickt auf ihr Gipsbein. »Nach dem Sturz hab ich es gerade
so
geschafft, die Leiter aufzuräumen. Dann ist mir die Ausrede mit
den
Rollschuhen eingefallen.«
»Oberblöd«, sagt Kevin. »Fällt von der Leiter.«
»Kevin«, warnt Mama. »Und dann?«, fragt sie Anna.
»Ich hab den rechten Rollschuh angezogen, bin zur Haustür
gerollt und
hab gewartet, bis ihr kommt.«
»Wieso hast du uns nicht gleich angerufen?«, fragt Mama.
»Ich konnte gar nicht denken. Es tat so weh.«
Papa streckt sich ohne aufzustehen nach hinten, zieht eine
Schublade
auf, holt ein seltsames Plastikteil heraus und legt es auf den
Tisch.
Anna dreht das unförmige Ding in der Hand. »Was ist das?«
»Die Hälfte der kaputten Steckdose im Schlafzimmer«, sagt
Papa.
»Da muss jemand mit der Leiter gegen geknallt sein.«
»Dann habt ihr schon alles gewusst?«, fragt Anna.
Kevin klatscht sich auf die Stirn. »Ist doch klar, wenn du
solche
Spuren hinterlässt.«
»Sagen wir mal, wir haben es geahnt«, übergeht Mama seinen
Kommentar.
Anna sieht hoch. »Echt fies. Hättet ihr ruhig sagen können.«
Papa lacht. »Hör mal - so einfach solltest du auch wieder
nicht davon kommen. Was meinst du, was ich früher beim
Spionieren für Ängste ausgestanden habe.«
»Du hast so was auch gemacht?«, fragt Kevin.
»Hör mal, das war für mich das Wichtigste an Weihnachten.«
»Hast du nicht herumgestöbert?«, wendet sich Mama an Kevin.
»Och, so ein bisschen«, antwortet er kleinlaut.
»Sag bloß?« Papa greift noch einmal nach hinten und legt
ihm einen kleinen Schlüssel hin.
»Mein Fahrradschlüssel. Wo habt ihr den gefunden? Den such
ich schon seit …«
»Seitdem du das letzte Mal am Schlafzimmerschrank warst und
Plätzchen geklaut hast«, sagt Papa.
»Ups, ist mir wohl rausgerutscht«, sagt Kevin leise.
Anna grinst. »Wie kann man nur so blöd sein?«
»Versprecht mir bitte«, sagt Mama. »Nächstes Jahr besser
aufzupassen. Dann gibt es kein Gipsbein mehr und für uns ist
es spannender, wenn wir nicht gleich alles merken.«
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