Textprobe aus: »Familie Hollerbach«
Rundfunkserie in SWR4 Rheinlandpfalz
Ein Haus für Schnecken
Niedergeschlagen kommt Kevin Hollerbach in die Küche.
»Wasn mit dem los?«, fragt Anna.
Mama steht am Tisch und putzt den Salat.
»Geht dich gar nichts an«, mault Kevin seine große Schwester
an.
»Vielleicht möchtest du mir verraten, welche Laus dir über die
Leber gelaufen
ist?«, fragt Mama.
»Ach, bin einfach traurig«, antwortet Kevin und lümmelt sich
schlapp an den Küchentisch.
»Und - woran es liegt? Nun sag schon.«
»Ich hab mit Benny im Garten gespielt. Und jetzt sind uns alle
Schnecken
davongelaufen.«
Anna lacht. »Wow, das müssen ja wohl Rennschnecken
gewesen sein. Hatten sie
Startnummern auf ihren Häuschen?«
»Ha ha«, macht Kevin. »Wie lustig.«
»Na ja«, versucht Mama zu vermitteln. »Ein bisschen
merkwürdig ist es schon,
dass Schnecken davonlaufen können.«
»Wir haben ihnen eben ein Haus gebaut«, erklärt Kevin. »Aus
Zweigen und Blättern
und mit einem Dach aus Gras. Sogar mit
Fenstern und Tür. Und die laufen einfach
davon.«
»Tja«, kommentiert Anna, »vielleicht gewöhnst du dir jetzt
endlich mal an,
dass man Türen auch zumachen kann.«
Mama wirft ihr einen mahnenden Blick zu. Sie soll endlich
aufhören Kevin
aufzuziehen.
»Ihr habt den Schnecken also ein Haus gebaut?«, fragt Mama
und setzt sich
neben Kevin an den Tisch.
»Ja, richtig gemütlich«, antwortet Kevin.
»Vielleicht hat es ihnen nicht gefallen«, sagt Mama.
»Oder ihr habt was Wichtiges vergessen«, mischt sich Anna
weiter ein. »Das
Klo oder das Badezimmer?«
Kevin streckt ihr die Zunge raus. »Schnecken brauchen kein Klo.«
»Vielleicht wollten sie euer Haus nicht«, meint Mama, »weil sie
schon eines
hatten.«
»Mama«, sagt Kevin gedehnt. »Das waren Nacktschnecken.«
»Iih«, macht Anna.
»Dann weiß ich auch nicht.« Mama gibt die Suche nach Gründen
für die
Schneckenflucht auf. »Wie haben sie es überhaupt
geschafft, zwei quirlige
Jungs wie dich und Benny einfach
abzuhängen?«
»Mama - die haben uns doch nicht abgehängt«, widerspricht
Kevin. »Wir waren
gerade unterwegs und haben Futter für sie
gesucht. Damit sie nicht
verhungern.«
Anna kichert und auch Mama muss sich das Lachen verkneifen.
»Als wir zurück waren«, fährt Kevin unbeirrt fort, »ist keine mehr
da
gewesen. Obwohl wir es ihnen so schön gemacht haben.«
»Weil ihr die Tür nicht zugemacht habt«, meint Anna.
Diesmal ignoriert Kevin ihren Kommentar. »Psst, leise«, sagt
er plötzlich und
blickt wie gebannt auf den halb zerrupften
Salatkopf auf dem Tisch. »Sonst haut
der auch wieder ab.«
Unter den Salatblättern kriecht ein langer, fetter Regenwurm
hervor. Kevin
nimmt ihn mit zwei Fingern und eilt aus der Küche.
»Kevin, wo willst du hin?«, ruft Mama. »Essen ist gleich fertig!«
»Ihn in den Garten bringen!«, ruft Kevin. »Vielleicht mag er ja
in unser Häuschen
ziehen.« Schon ist er verschwunden.
»Mahlzeit«, sagt Anna. »Ich esse heute jedenfalls keinen Salat.«
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