Leseprobe
Total Klasse! - Band 3
Hase & Igel 2008 ISBN 978-3-86760-084-2 |
Leseprobe 1.
Kapitel Rot, Gelb, Grün »Los-fah-ren! Los-fah-ren!
Los-fah-ren!«, |
Jetzt fehlt nur noch Xaver. Die Kinder der
Klasse 3a werden allmählich
ungeduldig. Frau Besenbinder ist vor wenigen Minuten zum
Sekretariat
gegangen, um von dort aus bei Familie Ippig anzurufen. Endlich
kehrt Besi,
wie die Lehrerin häufig genannt wird, in den Bus zurück. »Ist
Xaver
mittlerweile aufgetaucht?«
»Ja!«, brüllt Benno von hinten. Grinsend zwinkert er seinen
Nebenleuten zu.
»Los-fah-ren! Los-fah-ren! Los-fah-ren!«, rufen sie erneut.
»Stimmt doch gar nicht«, sagt Katharina, die weiter vorne
sitzt. »Xaver
ist immer noch nicht hier.«
»Zu dumm«, sagt Frau Besenbinder. »Ans Telefon geht auch
niemand.«
»Wahrscheinlich sind die geplatzt!«, ruft Zacharias und spielt
damit auf den
Körperumfang von Xaver und seiner Mutter an. Die meisten Kinder
kringeln
sich vor Lachen.
»Zacharias! Bitte!«, sagt Frau Besenbinder. Kopfschüttelnd
steigt sie wieder
aus. Bis auf eine Hand voll Mütter und Väter haben sich alle
Eltern bereits
von ihren Kindern verabschiedet. Frau Besenbinder fragt die
Anwesenden,
ob jemand bei Ippigs nach dem Rechten sehen könnte. Im selben
Moment
erreicht Xaver den Parkplatz der Mühlberg-Grundschule. Xavers
Gesicht
ist rot wie ein Feuermelder, seine Haare sind klitschnass. Er ist
allein und
hat nur einen prall gefüllten Tagesrucksack bei sich.
Die Lehrerin läuft ihm entgegen. »Xaver! Ist was passiert? Wo
ist deine
Mutter?«
»Mama kommt -«, stößt er japsend hervor, »gleich nach. Sie
muss -
den schweren - Koffer tragen.« Er hat Seitenstechen und presst
die Hände
in die Hüften. »Die Schlösser - kaputt - meine Sachen - alle
rausgefallen.«
Frau Besenbinder versteht nur die Hälfte von dem, was er sagt.
Aber nun
kommt auch seine Mutter. Sie schleppt einen schlecht gepackten
Koffer.
Ein Hemdsärmel und eine halbe Socke hängen heraus. Das
altmodische Ding
wird von einem Gürtel zusammengehalten. Frau Besenbinder eilt
Frau Ippig
entgegen, um ihr zu helfen. Atemlos entschuldigt sich Xavers
Mutter bei
der Lehrerin und erklärt die Verspätung. Sie und ihr Sohn
hatten kaum
die Wohnung verlassen, als der Koffer aufsprang. Xavers Sachen
verteilten
sich über zwei Treppenabsätze. Hastig sammelte er alles wieder
ein. Seine
Mutter suchte in der Wohnung nach etwas Brauchbarem, um den
Koffer
zuzubinden. »Als wir an die Haltestelle kamen«, erzählt Frau
Ippig weiter,
»war der Stadtbus weg und wir mussten die ganze Strecke
laufen.«
»Los-fah-ren! Los-fah-ren! Los-fah-ren!«, rufen die Kinder
erneut.
»Dann steig mal ein«, sagt Frau Besenbinder und wuschelt Xaver
die
verschwitzten Haare. Seine Mutter drückt ihm einen feuchten
Abschiedskuss
auf die Wange. Er klettert in den Bus, drinnen wird er mit
Pfiffen aus der
letzten Reihe empfangen.
»Vorsicht! Der Bus kracht!«, ruft Anton.
»Du hast sie wohl nicht alle«, mault Benno Xaver an. »Wieso
kommst
du jetzt erst?«
»Weil er so fett ist!«, ruft Zacharias.
»Das nächste Mal holen wir dich ab und rollen dich zur
Schule«, spottet
Hanna. »Dann geht's schneller.« Die andern lachen.
Xaver ist wegen seiner Körperfülle Spott gewohnt. Er versucht
ihn zu
überhören. Meistens gelingt es ihm. Im Augenblick ist er
jedenfalls froh,
dass er die Abfahrt des Busses nicht verpasst hat. Er setzt sich
auf einen
der vorderen Plätze. Hinten würde ihm nur schlecht werden. Sie
haben die
Stadtgrenze noch nicht erreicht, als die ersten ihren
Reiseproviant auspacken.
Xaver hat neben vier mit Wurst und Käse belegten Broten und drei
Bananen
auch noch jede Menge Süßigkeiten dabei. Mit jedem Kilometer,
den sich
die Kinder von der Schule entfernen, wird die Stimmung besser.
Fünf Tage
Klassenfahrt. Fünf Tage Abenteuer auf Burg Borkenstein. Es wird
gesungen
und gelacht. Nachdem der Bus die Autobahn erreicht hat, knien
sich Hanna,
Benno, Vicky, Zacharias und Ulli auf die hinteren Sitze und
schneiden den
nachfolgenden Autofahrern Grimassen. Manche reagieren empört,
andere lachen
oder albern mit den Kindern herum, ehe sie den Bus überholen.
Nach knapp zwei Stunden greift die Busfahrerin zum Mikrofon. »So
Kinder,
gleich geht's runter von der Autobahn. Die letzte Strecke ist
sehr kurvenreich.
Damit ihr nicht durch den Bus kugelt, müsst ihr euch jetzt bitte
wieder richtig
hinsetzen.«
»Hier kugelt nur einer«, lästert Zacharias und erntet
schallendes Gelächter.
Es bedarf noch einer weiteren Ermahnung durch Frau Besenbinder,
ehe die
Kinder die Worte der Fahrerin ernst nehmen. Bald biegen sie ab
auf eine schmale
Bergstraße. Zwischen den hohen Bäumen links und rechts hat man
den Eindruck,
es würde schon dunkel. Dabei ist es noch nicht einmal Mittag.
Neben der Straße
tun sich mal zur linken, mal zur rechten Seite tiefe Abgründe
auf. Es wird ruhiger
im Bus. Die Fahrerin muss mächtig kurbeln, um die engen Kurven
zu nehmen.
Besi sitzt ganz vorne neben der Tür und klammert sich am
Haltegriff fest.
»Wird dem Jungen da etwa schlecht?«, fragt die Fahrerin nach
einem Blick in
den Rückspiegel.
Besi dreht sich um. Xaver sitzt zwei Reihen hinter ihr. Sein
Gesicht ist käsig gelb.
Auf dem freien Platz neben ihm liegen drei Packungen.
Geleebohnen,
Ingwerplätzchen, Karamellbonbons. Alle leer. Xaver atmet flach
und schnell.
Mit trübem Blick stiert er vor sich hin.
»Xaver?«, fragt Frau Besenbinder. »Alles in Ordnung?«
Xaver schluckt. Er muss sich konzentrieren. Er schluckt noch
einmal. »Ja«,
sagt er kaum hörbar und schluckt wieder.
»Da unten liegen Tüten«, sagt die Fahrerin.
Frau Besenbinder ist klar, dass Xavers gehauchtes »Ja« zwar gut
gemeint ist,
mit der Wahrheit jedoch nichts zu tun hat. Sie schnappt sich eine
Tüte,
nestelt sie auf und hält sie Xaver im letzten Augenblick vors
Gesicht.
Ein paar haben mitbekommen, dass es ihrem Mitschüler schlecht
geworden ist.
»Buach!«, macht Ilona und wendet sich ab.
»Iih!«, ruft Oskar.
»Xaver kotzt!«, posaunt Dragan durch den Bus.
»Zu-ga-be! Zu-ga-be! Zu-ga-be!«, feuert ihn die letzte Reihe
an.
Xaver bekommt kaum etwas mit. Er fühlt nur Frau Besenbinders
kühle Hand
auf seiner heißen Stirn. Im Dämmerlicht zwischen den hohen
Bäumen wirkt
seine Gesichtsfarbe inzwischen grün. Damit hat Xaver die Farben
einer Ampel
von oben bis unten durch.
»Wir sind gleich da«, versucht die Busfahrerin Xaver zu
trösten. »Nur noch
zehn Minuten.«
Weder ihre Worte noch ihr aufmunterndes Lächeln über den
Rückspiegel
erreichen ihn. Erst als der Bus im Innenhof von Burg Borkenstein
anhält
und sich mit lautem Zischen die Türen öffnen, keimt bei Xaver
die vage
Hoffung, doch nicht sterben zu müssen.
Kapitel 3 Auf die Betten, fertig, los! …
...
folgende Titel der Serie Total klasse! sind bereits erschienen:
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