Leseprobe
Total Klasse! - Band 4
![]() © arsEdition, München 2003; ISBN 3-7607-3908-3 Illustration: Elisabeth Holzhausen |
1. Kapitel Zum
Kreischen!
»Guten Morgen«, begrüßt |
Wie jeden Montag soll zum Auftakt der Woche erst
einmal die Räuberpuppe Ronja von einem
Kind zum
nächsten wandern. Wer das Klassenmaskottchen in
Händen hält, darf vom Wochenende berichten. Damit
alle zu Wort kommen, achtet ein Kind darauf, dass
niemand länger als dreißig Sekunden redet. Darüber
hinaus gibt es nur noch eine Regel: jedes Kind muss
wenigstens einen Satz sagen.
»Da
fehlen doch noch welche«, bemerkt die
Lehrerin, als endlich Ruhe herrscht.
»Leo«, antwortet Pia.
»Und Dragan!«, ruft Anton.
»Yvonne ist auch noch nicht da«, meldet sich Corinna.
»Kommen neuerdings alle, wann sie Lust haben?«,
fragt die Lehrerin in ungewohnt scharfem Ton.
»Allmählich geht mir diese Bummelei auf die Nerven.«
»Letztes Schuljahr war um diese Zeit gerade mal die
Hälfte da«, sagt Ulli.
Frau Besenbinder verdreht die Augen. »Soll ich jetzt
auch noch froh sein, dass es mir weniger schlecht
geht, als meiner Vorgängerin?« Die Kinder blicken
betreten zu Boden. Sie können kaum glauben, dass
ihre fast immer gut gelaunte Besi sauer ist.
»Fangen wir an«, geht die Lehrerin zur Tagesordnung
über. »Wer stoppt heute die Zeit?«
»Ich«, sagt Ulli.
»Und wo steckt unser Maskottchen?«, fragt Besi nach
der Räuberpuppe Ronja, die für gewöhnlich auf ihrem
Tisch sitzt. Aber dort ist sie nicht. Die Kinder sehen
sich suchend um. Ilona fängt an zu kichern.
»Was ist denn so komisch?«, fragt die Lehrerin.
»Ronja kommt wohl auch zu spät«, antwortet Ilona.
Mit gespreizten Fingern hebt Frau Besenbinder ihre
Hände und kreischt. Zwar nur ganz kurz aber dafür
schrill und laut. »Jetzt kommt sogar schon unser
Klassenmaskottchen zu spät.«
»Ronja kann nichts dafür«, verteidigt Pia die Puppe,
als handle es sich um eine Mitschülerin. »Ihr Arm
war abgerissen. Leo hat sie mitgenommen, um sie zu
verarzten.«
Frau
Besenbinder nickt. »Das nenne ich endlich mal
eine gute Entschuldigung.« Bevor sie noch etwas sagen
kann, treten Leo, Dragan und Yvonne im Gänsemarsch
ins Zimmer.
»Ich hatte Ronja vergessen und musste noch mal nach
Hause«, sagt Leo und hält die von ihm geheilte Puppe
hoch.
Auch mit seiner Begründung scheint die Lehrerin zufrie-
den. »Woran hat es bei dir gelegen?«, fragt sie Dragan.
»Mann, eh, ich kann nix dafür«, verteidigt er sich. »Ich
wäre voll pünktlich gewesen, eh.«
»Und was hat dich in allerletzter Sekunde abgehalten,
- eh, Mann, eh?«, macht Besi ihren Schüler nach.
Dragan begreift nicht, weshalb die andern lachen.
»Was denn, eh? Der Paketmann hatte so eine große
Kiste vor der Nase und deshalb den Weg nicht gepeilt.
Ich hab ihn zum Sekretariat geführt.«
»Was war drin?«, ruft Ulli.
»Frau Weiß, wer sonst?«, erwidert Dragan.
»Nicht im Sekretariat, Mann«, sagt Ulli. »Ich will wissen,
was in der Kiste war?«
Dragan
hebt ratlos die Hände. »Bin ich Prophet?«
»Wieso Prophet?«, fragt Anton verwundert.
»Wenn Dragan Prophet wäre«, hilft Qadir ihm auf die
Sprünge, »könnte er vielleicht durch die Pappe kucken.«
Dragan
nickt. »Genau, eh - außen stand Sportversand drauf.«
Die
Lehrerin wendet sich an Yvonne. »Ist deine Entschul-
digung auch so originell?«
»Verschlafen«, antwortet Yvonne knapp und rückt ihren
Stuhl in den Kreis.
»In Zukunft seid ihr bitte pünktlich«, schließt Besi das
Thema für heute ab.
Leo darf als erster vom Wochenende berichten. Er war
mit seinen Eltern im Kino. »Am Schluss wurde der Haus-
meister in einen Keller mit Spinnen und fetten Ratten ge-
sperrt. So was müssen wir mit unserem auch mal machen.«
Die Kinder
stimmen lachend zu. Auch die Lehrerin kann
sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Hausmeister
der Mühlbergschule ist wahrhaftig ein Fall für sich.
»Zeit vorbei«, sagt Ulli. »Ich bin dran.«
»Ich hab noch gar nicht erzählt, dass wir nächsten Sonntag
in den Safaripark gehen«, sagt Leo. »Da laufen die Löwen
frei herum und die Giraffen
«
»Über den Safaripark informierst du uns nächste Woche«,
fällt ihm Besi ins Wort. Leicht geknickt gibt Leo Ronja weiter.
»Ich war mit Papa zweimal im Schwimmbad«, erzählt Ulli
als nächster. »Wir haben richtig trainiert. Papa gegen seinen
Bauch und ich auf Tempo. Ich schaff die fünfundzwanzig
Meter Kraul jetzt unter 22 Sekunden. Wenn mein Muskel-
kater weg ist, drück ich meinen Rekord bestimmt unter 21.«
Ein Blick auf die Uhr sagt ihm, dass er auch seinen Bericht
vorbildlich schnell abgeliefert hat.
»Total klasse, Mann! Die Staffel gewinnen wir! Ulli,
das Kraulmonster!«, geht es durcheinander. Die Kinder
der 3a sind vom Schwimmfieber angesteckt. Etwa sieben
bis acht von ihnen haben Chancen, für ihre Schule bei den
Stadtmeisterschaften starten zu dürfen. Ulli genießt einen
Moment die Anerkennung und gibt die Räuberpuppe an
Yvonne weiter. Sie ist die beste Schwimmerin der Schule.
Yvonne nimmt Ronja mit gleichgültiger Miene, dreht sie ein
paar Mal hin und her, zuckt mit den Schultern und hält sie
wortlos ihrer Nachbarin hin.
Corinna zögert. »Willst du nichts erzählen?«
Yvonne gehört
zwar nicht zu den Plaudertaschen der Klasse,
dass sie gar nichts sagt, ist aber auch nicht normal.
»Wenigstens einen Satz, Yvonne«, fordert Frau Besenbinder.
»Bei mir war nichts los.« Damit hat sie den Pflichtsatz gesagt
und legt Corinna Ronja in den Schoß.
Corinna ist so überrascht, dass sie nicht mehr weiß, was sie
erzählen wollte.
»Zeit läuft. Mach schon, du Schnarchnase! Ich schlaf
gleich ein! - Kann man die nicht weiterzappen?«, maulen die
anderen.
»Ich war auf einem Reiterhof
«, fängt Corinna endlich an.
»Mädchenkram!«, ruft Zacharias genervt dazwischen.
»Halt du doch mal die Klappe!«, weist ihn Ulli zurecht.
Corinna erzählt unbeirrt weiter, bis sie die Puppe Dragan
überreicht. Der berichtet, dass er mit seinem großen Bruder
übers Wochenende ganz allein zu Hause war. »Eh, Mann,
wir haben zwei Tage lang nur selbst gemachtes Popcorn ge-
futtert. Die erste Portion mussten wir vom Fußboden essen,
weil wir keinen Deckel auf dem Topf hatten.«
Dragans
Popcorn Geschichte bringt endlich Schwung in den
Montagskreis. So macht den Kindern die Runde Spaß.
In der großen Pause findet Corinna ihre Freundin ganz allein
in der entlegensten Ecke des Schulhofs. »Wieso wolltest du
heute nichts erzählen?«, fragt Corinna.
»Wenn eben nichts besonderes war«, erwidert Yvonne.
Corinna lacht. »Popcorn vom Fußboden essen ist auch nicht
gerade der Hit. - Du hast doch was.«
»Gar nichts hab ich«, sagt Yvonne in Richtung Rasen.
Corinna glaubt ihr nicht. »Na?«, fragt sie aufmunternd, als
Yvonne endlich den Blick hebt.
Im selben Moment kommen Leo, Ralf und Ulli angerannt.
»Los, beeilt euch!«, rufen sie. »Die neuen Badekappen sind
da! Dicky hat eine aufgesetzt und sieht aus, als hätte er eine
rote Glatze!«
»Ach, diese blöden Dinger«, sagt Yvonne gedehnt.
Schulleiter Dieckmann hat für das Wettschwimmen 40 Bade-
kappen mit dem Aufdruck Mühlberg Delfine bestellt. Ange-
blich soll man mit solchen Gummihauben schneller schwim-
men, weil das Wasser besser am Kopf vorbeifließt.
»Dicky mit Glatze?«, fragt Corinna. »Das will ich sehen.«
Yvonne
scheint die Begeisterung nicht zu teilen. Sie kann
diese Badekappen sowieso nicht ausstehen. Beim Aufsetzen
und Abziehen reißt man sich immer Haare aus und an den
Ohren zwicken sie auch. »Muss zum Klo.«
»Beeil dich«, fordert Corinna sie auf. »Wenn Dicky den
Kasper macht, wirds immer lustig.«
Noch bevor
Corinna und die Jungs den vorderen Teil des
Schulhofes erreichen, schallt ihnen ein stimmgewaltiger Chor
der Anfeuerung entgegen. »Dicky! Dicky! Dicky!«, tönt es
aus ungezählten Kehlen. Der Schulleiter lässt es sich gefallen
und verfolgt mit gespielter Tapsigkeit Frau Schmidt-Pöhlmann,
eine ältere Lehrerin, die ein-, zweimal die Woche Textiles Wer-
ken gibt. Herr Dieckmann will sie offenbar dazu bewegen,
eine der roten Badekappen aufzusetzen. Aus Sorge um ihre
Frisur, die wie immer mit Haarspray zementiert ist, flieht Frau
Schmidt-Pöhlmann im Slalom um die Kinder. Im Rahmen die-
ser Jagd prallt der Schulleiter beinahe mit dem Hausmeister
zusammen. Angelockt vom Lärm, ist Herr Pelzig aus seiner
Glaskabine gekommen, um nach dem Rechten zu sehen. Mit
solchen Scherzen weiß Putzig, wie er fast immer genannt
wird, nichts anzufangen.
»Wie wärs, Herr Pelzig?«, fragt Herr Dieckmann gut gelaunt,
»wollen Sie auch eine Badekappe anprobieren?«
»Voll krass«, raunt Ulli.
»Wieso nicht cool?«, fragt Ralf verwundert, weil Ulli nicht
sein Lieblingswort benutzt hat.
Ulli tippt sich an die Stirn. »Auf welchem Planeten lebst du?
Cool ist voll out.«
Der
Hausmeister holt Luft, um Herrn Dieckmann zu antwor-
ten, schüttelt dann aber nur den Kopf und stapft davon. Hin-
ter seinem Rücken macht der Schulleiter eine Geste, als wür-
de er Herrn Pelzigs Unmut aufrichtig bedauern. Zu schade,
dass die Pause in diesem Moment zu Ende geht. Corinna
sieht sich noch einmal nach ihrer Freundin um. Keine Spur
von Yvonne. Sie hat die lustige Einlage des Schulleiters lei-
der verpasst.
...
folgende Titel der Serie Total klasse! sind bereits erschienen:
|