Textprobe aus: »Familie Hollerbach«

Rundfunkserie in SWR4 Rheinlandpfalz



Folge 8: Wenn der Hund kotzt

»Papa, ich muss mal!«, ruft Kevin von der Rückbank.
»Das ist nicht dein Ernst?«, fragt Herr Hollerbach
ungläubig. Über den Rückspiegel blickt er nach
hinten und wendet sich dann kopfschüttelnd an seine Frau.
»Wir haben vor drei Minuten getankt und dein Sohn muss pinkeln.«
»Wer ist denn allein aufs Männerklo gegangen?«, erwidert
Frau Hollerbach. »Ich war mit deiner Tochter auf dem Frauenklo.«
»Und wer hat den Wagen getankt, die Scheiben geputzt
und die Wischwaschanlage nachgefüllt, weil sie wieder mal leer war?«,
fragt Papa Hollerbach.
»Unser treu sorgender Familienorganisator«,
erwidert Mama Hollerbach spitzt. »Soll ich dir die Füße küssen?«
»Aber nicht solange wir fahren, Mama!«, ruft Anna von hinten.
»Ich muss aber dringend pinkeln«, quäkt Kevin.
Papa Hollerbach schlägt mit einer Hand aufs Lenkrad.
»Soll ich etwa schon wieder anhalten, wo ich gerade glücklich
diesen blöden Bummellaster überholt habe?«
Mama Hollerbach klappt die Sonnenblende herunter,
um über den kleinen Kosmetikspiegel Blickkontakt
mit Kevin herzustellen, ohne sich den Hals zu verrenken.
»Wir halten am nächsten Parkplatz. Da kannst du in die Büsche gehen.«
»Muss aber jetzt«, jammert Kevin.
»Der pisst sich wirklich gleich in die Hose«, sagt Anna.
»Anna! Bitte!«, beschwert sich Papa über ihre Ausdrucksweise.
»Wenn's doch stimmt. - Du siehst ja nicht,
wie er die Beine zusammenkneift.«
Mama Hollerbach hebt die Hand und zeigt nach vorne.
»Fahr doch an dem Feldweg mal eben rechts ran.«
Herr Hollerbach nimmt nicht einmal den Fuß vom Gas.
Seine Frau wendet sich im Vorüberfahren nach der Stelle um.
»Wieso hast du nicht angehalten? Da war Platz genug.«
»Ein bisschen früher musst du mir schon Bescheid sagen.
Ich kann nicht einfach von der Straße kacheln und wegen
einmal pinkeln unser aller Leben riskieren.«
»Das nächste Mal stelle ich einen schriftlichen Antrag«,
grummelt Frau Hollerbach.
»Ich muss ganz, ganz fürchterlich dringend«, sagt Kevin weinerlich.
»Halt aus mein Sohn«, sagt Mama. »Dein Herr Vater muss erst noch
den Antrag bearbeiten.«
»Ich glaube, der Hund kotzt!«, ruft Anna von hinten.
»WAS?«
Entsetzt blickt Herr Hollerbach in den Rückspiegel
und setzt unverzüglich den Blinker. Er tritt auf die Bremse,
bringt den holpernden und rumpelnden Wagen
auf dem unbefestigten Seitenstreifen zum Stehen.
Mehrere überraschte Verkehrsteilnehmer hupen ihren Unmut
in die Landschaft. Nach einem Blick in den Außenspiegel
reißt Herr Hollerbach die Tür auf und stürzt zur Heckklappe,
um den Hund ins Freie zu lassen. Kevin nutzt die Gelegenheit,
schnallt sich ab und flieht ins Gebüsch, um sich zu erleichtern.
»Komm raus, Dicky!«, weckt Papa den dösenden Hund.
Dicky schüttelt sich, reißt gähnend das Maul auf
und springt aus dem Auto, um höchst erfreut
über den angrenzenden Acker zu toben.
»Der hat ja gar nichts. Wie kommst du darauf,
dass er kotzen könnte?«, richtet sich Papa Hollerbach
an seine Tochter.
Anna zuckt mit den Schultern. »Wegen Kevin hättest du ja nicht angehalten.«

 

zu den Seiten: weitere Leseproben Bücher ab 6 Bücher ab 8 Bücher ab 12 Tonträger

 

anklicken zum SWR-