Textprobe aus: »Familie Hollerbach«

Rundfunkserie in SWR4 Rheinlandpfalz

Familie Hollerbach – Heilige Enten?

Familie Hollerbach geht mit Dicky am See spazieren. 
In den letzten Tagen ist es noch einmal richtig kalt 
gewesen. Der blaue Himmel und die strahlende 
Frühlingssonne scheinen jedoch versprechen zu 
wollen, dass es bald wärmer wird. Anna bleibt stehen 
und schaut den Enten zu. »Kuckt mal, die Enten!«, 
ruft sie überrascht. »Die machen das wie Jesus.«
»Wie kommst du denn jetzt auf Jesus?«, fragt Papa 
verwundert.
»Der ist doch auch übers Wasser gelaufen«, sagt Anna. 
»Wie machen die Enten das nur?«
Nun bleiben auch die Eltern und Kevin stehen, um auf 
den See zu blicken. Selbst Dicky, der heute ohne Leine 
laufen darf, kehrt zur Familie zurück, um den übers 
Wasser watschelnden Enten zuzusehen. Der Hund 
fängt an zu bellen und scheucht auch die allerletzte 
ruhende Ente hoch.
»Tatsächlich«, sagt Mama. »Das sieht ja wirklich witzig 
aus.«
»Wie machen die das?«, fragt nun auch Kevin voller 
Ehrfurcht. Natürlich hat auch er schon von der Bibel-
geschichte gehört, in der Jesus übers Wasser läuft. 
Bis heute kann er sich nicht vorstellen, wie Jesus das 
damals gemacht hat. »Sind die Enten irgendwie heilig?«
Anna tippt sich an die Stirn. »Heilige Enten - du hast sie 
ja nicht mehr alle.«
Herr Hollerbach geht neben Kevin in die Knie, um ihm 
die Sache auf gleicher Augenhöhe zu erklären. Er zeigt 
auf die spiegelnde Oberfläche des Sees. »Unter dem 
Wasserfilm liegt immer noch eine Eisschicht. Wenn 
man nicht genau hinsieht, kann man sie gegen das 
strahlende Sonnenlicht nur erahnen.«
»Boah«, sagt Kevin staunend. »Tatsächlich.«
»Außerdem können so viele Enten gar nicht gleichzeitig 
wie Jesus sein«, sagt Anna. »Jesus gab es auch nur 
einmal.«
Plötzlich fällt Kevin etwas ein. Aufgeregt schnappt er 
nach Luft. »Vielleicht hat Jesus das ja genauso ge-
macht wie die Enten«, sagt er. »Und die Leute haben 
bei ihm die Eisschicht unterm Wasser einfach genauso 
wenig gesehen wie wir.«
Anna verdreht die Augen. »Du bist ja wieder mal nur blöd.«
»Selber«, mault er zurück.
»Anna«, tadelt Mama, »das muss doch nicht schon 
wieder sein.«
»Stimmt doch aber«, beharrt Anna. »Wo Jesus gelebt 
hat, gab es überhaupt kein Eis.«
Kevin verschränkt trotzig die Arme. Seine neunmal kluge 
Schwester weiß wieder mal alles besser. »Und wieso 
nicht?«, fragt er gedehnt.
»Weil es da unten im Süden, wo Jesus gelebt hat, viel 
zu warm war für Eis«, antwortet Anna.
»Woher willst du das wissen?«, erwidert Kevin trotzig. 
»In Griechenland hat es diesen Winter auch geschneit. 
Ganz viel sogar. Und da ist es sonst auch immer warm.«
»Dicky! Bei Fuß!«, ruft Papa, bevor Anna noch etwas 
erwidern kann. Der Hund hat der Verlockung nicht wider-
stehen können. Mit zaghaften Schritten tapst er über 
dünnes Eis hinter den Enten her.
»Dicky!«, rufen alle vier Hollerbachs wie aus einem Mund, 
als er plötzlich mit den Hinterpfoten einbricht. Der Hund 
rettet sich jedoch mit übermütigen Sätzen ans sichere 
Ufer und tollt unversehrt um die Familie herum.
»Da siehst du es«, greift Anna den Faden wieder auf. 
»Wenn es damals bei Jesus auch Eis gewesen wäre«, 
sagt sie zu Kevin, »wäre er genau wie Dicky viel zu 
schwer dafür gewesen.«

 

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