Leseprobe


Illustration: Elisabeth Holzhausen
  Sie kommt!

Benno öffnet vorsichtig die Tür
und wirft einen Blick auf den Flur.
»Beeilung, Putzig kann jeden
Moment auftauchen«, raunt er
Ulli und Jana zu. Benno meint den
Hausmeister. Der heißt eigentlich
Pelzig und ist mit Sicherheit nicht
damit einverstanden, dass die drei
gerade die Leiter aus der Putzkam-
mer entführen. Aber ohne Leiter
kommen sie nicht an den Decken-
haken. Die Klassenzimmer des alten
Schulgebäudes sind über drei Meter
hoch.

Auf Zehenspitzen schleichen sie an Putzigs Glaskabine vorbei. Mit dem
Hausmeister ist nicht gut Kirschen essen. Dass er Kinder nicht
ausstehen kann, ist kein Geheimnis. Und gegen die von der 3a hat
er eine ganz besondere Abneigung entwickelt. Schon als sie um die
Ecke biegen, hören Benno, Ulli und Jana, dass in ihrem Klassenzimmer
am Ende des Flurs das Leben tobt. Sie öffnen die Tür, der Lärm
schwillt an. Die drei huschen ins Zimmer, um die Tür schnell wieder zu
schließen. Ein paar spielen Fangen über Tische und Stühle. »Passt doch
auf, wo ihr hintretet«, schimpft Frederike. Beinahe hätte einer ihr
Pausenbrot plattgemacht.
»Halt die Klappe!«, bekommt Frederike zur Antwort.
Dass es in der 3a hoch hergeht, ist normal. Schon als Erstklässler
waren die Kinder kaum zu bändigen. Spätestens seit dem zweiten
Schuljahr hat die Klasse den Ruf, der Schrecken der Grundschule zu
sein. Zumindest beim Hausmeister und den Lehrern. Aber auch mit
anderen Klassen gab es Zoff. Vor allem die jetzige 4b kann es kaum
ertragen, dass sich die Kinder der 3a mehr Gespräche zwischen
Schulleiter und Eltern eingehandelt haben als sie. Sicher wird sich
dieser Wettstreit zwischen den beiden Klassen auch in diesem
Schuljahr fortsetzen. Heute, am ersten Schultag nach den Sommerferien,
ist die 3a gespannt auf die neue Lehrerin. Alle hoffen, dass sie netter ist
als ihre Vorgängerin. Die mochte kaum jemand leiden. Während ein
paar Kinder weiter durchs Zimmer turnen, beobachten die meisten
anderen, wie Benno, Ulli und Jana die Leiter aufklappen und vor die
Tür stellen. Anton füllt einen Eimer mit Wasser und Ilona entwirrt eine
verknotete Schnur.
»Macht schon«, drängt Ulli, der inzwischen auf der Leiter steht. Er
lässt sich von Anton den Wassereimer reichen.


»Ups«, sagt Ulli. Fast hätte er das Gleichgewicht verloren. Er stellt
den Eimer auf das Regal über der Tür, befestigt die von Ilona
entwirrte Schnur am Henkel und fädelt sie durch den Deckenhaken.
An dem hing vergangenen Dezember der Adventskranz. Ulli lässt
das lose Schnurende fallen.
»An die Türklinke binden. Aber straff.«
»Alles klar«, sagt Jana. Sie zieht vorsichtig an der Schnur. Der Eimer
rutscht ruckweise in Richtung Regalkante.
»So wird das nichts«, sagt Ilona. »Der muss sofort umkippen,
wenn man die Klinke drückt. Sonst merkt sie was.«
»Und wenn wir hinten was unterlegen?«, schlägt Jana vor.
»Spendier uns mal deinen Ratzefummel«, sagt Anton zu Leo, der
am Tisch neben der Tür sitzt.
»Ja, klar, nimm ruhig«, sagt Leo.
Frederike hockt mit düsterer Miene an ihrem Platz. »Ihr spinnt. Das
könnt ihr nicht machen.«
»Ach nein?« Ulli schiebt Leos Radiergummi von hinten unter den
Eimer. »Zieh noch mal.«
Jana zieht. Der Eimer rutscht nicht mehr, er kippt. Beinahe schwappt
das Wasser über. »Nicht so doll! Sonst taufen wir uns selber.«
Ulli springt von der Leiter. Die meisten finden den Streich klasse.
Ein paar finden die Aktion bescheuert, wagen aber nicht einzugreifen.
Benno steht Schmiere. »Sie kommt!« Die neue Lehrerin biegt auf
dem Flur um die Ecke. »Putzig ist bei ihr.«
»Echt?«, fragt Ulli. »Wohin mit der Leiter?«
»Zum Fenster raus«, kommandiert Benno.
Zusammen mit Ulli wuchtet er die Leiter auf die Fensterkante.
Jana drückt die Tür ins Schloss, ohne die Klinke zu benutzen.
Sie setzt sich auf ihren Platz und kaut auf der Unterlippe. Anton
bevorzugt seine Fingernägel. Die Leiter verhakt sich in den Ästen
der Büsche vor dem Fenster. Ulli und Benno ziehen sie noch
einmal herein und lassen sie dann etwas steiler hinunter. Die Tür
bleibt zu. Gedämpft sind von draußen Stimmen zu hören. Die
Türklinke senkt sich. Die Schnur wird straffer. Die Tür geht noch
immer nicht auf. Scheppernd fällt die Aluminiumleiter in die
Büsche. Ulli und Benno hasten auf ihre Plätze. Ulli packt seine
Schultasche auf den Tisch und verschanzt sich dahinter. Jetzt ist
die Klinke unten. Noch ein winziger Ruck und der Eimer kippt.
Die Tür geht auf. Einen Spalt breit. Fünf Zentimeter. Die Schnur
verliert an Spannung.
»Mist«, raunt Anton.
»Sei froh«, flüstert Gerit, sein Tischnachbar. »Putzig ist noch
draußen.«
Die Lehrerin unterhält sich noch immer mit dem Hausmeister.
»Ich komme schon zurecht«, sagt sie. Der Spalt wird breiter.
Zehn Zentimeter.
»Bei denen müssen Sie von Anfang an zeigen, wer Chef im
Ring ist.«
»Chefin«, korrigiert die Lehrerin.
»Wie? Ach ja. Chefin. Hauptsache, Sie setzen sich durch. Ihrer
Vorgängerin sind sie auf der Nase herumgetanzt. Wenn die so
weitermachen …«
»Was dann?«, fragt die Lehrerin.
»… na ja. Sind eben alles Räuber. Da muss man ordentlich durch-
greifen.« Putzig redet absichtlich laut. Die Kinder sollen mitbekom-
men, dass er die Neue zur Strenge mahnt.
Der Spalt ist inzwischen etwa zwanzig Zentimeter weit.
»Räuber?«, fragt die Lehrerin. »Vielen Dank für den Hinweis, aber
ich bin sicher, Sie übertreiben.« Noch ein Stück, dreißig Zentimeter.
»Sie werden sehen«, sagt der Hausmeister.
Während des Gesprächs hängt die Schnur immer weiter durch.
Damit der Eimer noch kippt, müsste die Neue die Tür mittlerweile
schon ganz aufreißen. Aber vielleicht klappt es ja beim Schließen.
Die Kinder halten den Atem an. Doch die Neue öffnet die Tür ge-
rade so weit, dass sie sich rückwärts ins Klassenzimmer schieben
kann und drückt die Tür ins Schloss. Frederike hebt die Hand.
Murat, der hinter ihr sitzt, tippt ihr warnend auf die Schulter.
»Klappe halten.« Frederike zuckt zusammen und nimmt die Hand
wieder herunter.
»Guten Morgen, mein Name ist Besenbinder, ich bin eure neue
Lehrerin«, sagt die Neue.
Die Kinder kichern. Besenbinder - klingt erst mal lustig.

Erfrischt in die Pause
Mit elegantem Schwung stellt Frau Besenbinder ihre Tasche auf
den Tisch. Sie lehnt sich mit dem Rücken an die Tafel und sieht
sich in der Klasse um. Für einen Moment herrscht Stille. Durch die
geöffneten Fenster hört man die Vögel zwitschern. Eine andere
Klasse trällert ein Sommerlied. Die Kinder der 3a sehen einander an.
Wieso sagt die denn nichts? Ein paar fangen an zu kichern. Andere
mustern Frau Besenbinder prüfend.
Sie ist anders als ihre Vorgängerin ...

 

 

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ISBN 978-3-86760-084-2

ISBN 3-7607-3908-3

ISBN 978-3-86760-085-9

 

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