Leseprobe aus: 



illustriert von Iris Hardt
Ravensburger 2001

Vampirschloss 

Auf Zehenspitzen schleicht Mirjam durch das 
verfallene Schloss. Die Bodendielen knarren. 
Die wenigen Scheiben in den Fenstern sind 
gesprungen. Es zieht wie Hechtsuppe. Im Ober-
geschoss knallt eine Tür. Draußen, im dunklen 
Wald ruft ein Käuzchen. Oder ein Uhu? Mirjam 
kann die Rufe der beiden Nachtvögel nicht unter-
scheiden. Wohin soll sie jetzt gehen? In die 
Küche. Ja! Vielleicht findet sie dort Knoblauch. 
Knoblauch hilft gegen Vampire. Das wird jeden-
falls in Vampirgeschichten immer behauptet. 
Vorsichtig blickt Mirjam um die Ecke. Die Luft ist 
rein. Jetzt bloß keinen Krach machen. Die Küche 
ist im Erdgeschoss. Stufe für Stufe geht sie die 
Treppe hinunter. Dass die Stufen aber auch alle 
so quietschen müssen. Endlich ist Mirjam unten 
angelangt. Sie fasst auf die staubige Klinke und 
öffnet die Tür. Wie es scheint, ist in der Küche 
tatsächlich keine Menschenseele. Aber was heißt 
das schon? Vampire haben ja schließlich sowieso 
keine Menschenseele. Was den Knoblauch 
anbelangt, ist Mirjam jedoch mehr als zufrieden. 
Von der Decke hängen mindestens ein Dutzend 
geflochtene Knoblauchzöpfe. Erleichtert atmet 
sie auf. So viel Glück auf einmal kann sie kaum 
fassen. Wie einen Schal legt sich Mirjam einen 
langen Knoblauchzopf um den Hals. Keinen 
Augenblick zu früh. Schon geht die Tür auf. Mit 
breitem Grinsen betritt ihr Verfolger den Raum. 
Seine spitzen Eckzähne stülpen sich über die 
Unterlippe. Siegessicher hält ihm Mirjam den 
Knoblauch entgegen.
»Lecker«, säuselt der Vampir. »Nichts schmeckt 
so gut wie Knoblauch über dem süßen Aroma von 
frisch gezapftem Blut.«
»Aber – ich dachte«, stammelt Mirjam, »Vampire 
mögen keinen Knoblauch.«
Lachend wirft der Vampir seinen Kopf in den 
Nacken und kommt unbeirrt näher.

»Wer behauptet 
denn so einen Blödsinn?«, erwidert er grinsend.
Mirjam holt aus und schleudert dem Vampir den 
Knoblauchzopf um die Ohren. Er wendet sich 
ab und hebt schützend die Hände vors Gesicht. 
Mirjam nutzt die Gelegenheit und flitzt an ihm 
vorbei zur Tür hinaus. Sie rast die Treppen hinauf 
und versteckt sich im nächstbesten Zimmer. 
Diesmal ist sie in einem Schlafzimmer gelandet. 
Eine dicke, muffige Daunendecke mit kariertem 
Überzug liegt auf dem Bett. Direkt über dem Kopf-
kissen hängt ein Holzkreuz. Mirjam klettert aufs 
Bett, nimmt das Kreuz von der Wand und hält es 
vor sich. Vampire hassen Kreuze. Sie können 
nicht an ihnen vorbei. Das weiß Mirjam aus Filmen. 
Endlich fühlt sie sich sicher. Mit dem Holzkreuz 
in der Hand hat sie nichts mehr zu befürchten. Sie 
schleicht zur Tür, öffnet sie einen Spalt und schaut 
hinaus. In der Dunkelheit kann sie nichts erkennen. 
Ob sich der Vampir nun doch freiwillig verkrümelt 
hat? Vielleicht ist er müde geworden und hat sich 
in seinen Sarg zurückgezogen.
Plötzlich fühlt sie eine Hand auf ihrer Schulter. 
»Suchst du jemanden?«, fragt der Vampir hinter ihr.
Mirjam entfährt ein gellender Schrei. Wie kommt 
der Kerl plötzlich hinter sie? Sie windet sich aus 
seinem Griff, reißt das Kreuz hoch und weicht um 
einige Schritte zurück. Mit ausgestreckten Armen 
hält sie es ihm entgegen. Was dann passiert, kann 
sie einfach nicht glauben. Genauso wenig, wie 
sich der Vampir vom Knoblauch abschrecken ließ, 
scheint er sich über das Kreuz aufzuregen. Wieder 
zeigt er breit grinsend seine Zähne. Er schüttelt den 
Kopf. »Es ist wirklich nicht zu fassen, was sich die 
Menschen für Märchen über Vampire ausdenken«, 
sagt er mitleidig. Ganz langsam geht er auf Mirjam 
zu, die inzwischen ängstlich in einer Ecke kauert. 
Sie sieht keinen Ausweg mehr. Gleich wird der 
Vampir sie packen und ihr in den Hals beißen. 
Schon beugt er sich mit geöffnetem Mund über 
sein Opfer. Im letzten Augenblick reißt Mirjam das 
Kreuz in die Höhe. Ihr Gegenüber beißt kraftvoll 
zu. Es knirscht. Mirjam braucht einen Augenblick, 
um zu begreifen, dass es nicht ihr Hals ist, den 
der Vampir erwischt hat. Entsetzt starrt er sie an. 
Mirjam krabbelt auf allen Vieren davon.
»Ning chochock gach Ging wech«, nuschelt der 
Vampir. Er zerrt mit aller Kraft an dem Kreuz, das 
fest auf seinen Eckzähnen steckt.
»Nimm das Ding doch selber weg«, sagt Mirjam. 
»Ich hoffe, du schaffst es nie.« Kaum hat sie sich 
abgewendet, um den fiesen Vampir hinter sich zu 
lassen, spürt sie erneut eine Hand auf ihrer 
Schulter. »Nein!« Mirjam schlägt voller Panik mit 
beiden Armen um sich.

... 

Wird sich Mirjam retten können? 
Kann sie aus dem Schloss entkommen? 

bei Ravensburger erschienen:

Ill.: Wilfried Gebhard Ill.: Iris Hardt
Buch bestellen; Euro 7,50 Buch bestellen; Euro 7,50
ISBN 3-473-34458-3 ISBN 3-473-34455-9

 

zu den Seiten: Buch bestellen weitere Leseproben Bücher ab 6 Bücher ab 8 Bücher ab 12 Tonträger