Leselöwen Krimigeschichten  
Loewe 2000


illustriert von Dorothea Tust

Verstopfte Spürnase 

Seit Tagen wird die Klasse 2b von 
fürchterlichem Gestank geplagt. Lüften
bringt nicht viel. Kaum sind die Fenster 
wieder geschlossen, fängt es erneut an, 
zu müffeln. 
»Mir reicht's«, sagt Herr Lück. »Wir 
werden der Sache mit kriminalistischem 
Scharfsinn zu Leibe rücken. Ein Fünfer für 
die Klassenkasse, wenn ihr das stinkende 
Objekt aufspürt.«
»Vielleicht liegt irgendwo ein toter 
Vogel«, sagt Karol. 
»Iih«, rufen alle. 
»Oder eine tote Maus im Schrank?«, 
meint Dorit. 
»Uach«, ertönt der Klassenchor. 
Auch Herr Lück verzieht das Gesicht. 
»Ich erhöhe die Belohnung auf einen 
Zehner, Kinder. Nasen auf und los.«
»Ich hab Schnupfen«, sagt Tom. 
»Hm«, macht der Lehrer. »Pech, eine 
Spürnase weniger. Aber mit deiner 
Erkältung hättest du sowieso lieber noch 
ein paar Tage zu Hause bleiben sollen.«
»Ich wollte nichts verpassen«, näselt Tom. 
»Ich weiß ja nicht«, sagt der Lehrer 
zweifelnd. »Aber was ist denn, Kinder? Ihr 
sucht ja noch gar nicht.« 
Die Kinder heben ihre Nasen. Der Lehrer 
steuert das Waschbecken an und 
schnuppert am Abflussrohr. Nichts. Er hält 
die Nase über den Mülleimer. Auch nichts. 
Alle schnüffeln kreuz und quer durchs 
Klassenzimmer. Selbst die ausgestopfte 
Eule und der präparierte Karpfen im 
Schrank werden verdächtigt, den Gestank 
zu verströmen. 
Tom bleibt sitzen. Er überprüft nur die 
Ablage unter seinem Tisch. Dort findet er 
sein Lineal, das er seit einer Woche 
vermisst. Moment mal - das Lineal! 
Er erinnert sich an den Tag, an dem er 
sich gleich nach der Schule ins Bett legte. 
Er fühlte sich wie eine zu heiß 
gewaschene Wollsocke.  Während die 
anderen Kinder nach der großen Pause 
noch im Klassenzimmer tobten, hockte 
Tom am Platz und betrachtete lustlos sein 
Pausenbrot. Obwohl es mit seinem 
Lieblingskäse belegt war, wickelte er es 
wieder ein und legte es auf den Tisch. 
Plötzlich stolperte Sebastian auf Tom 
zu. Sebastian suchte Halt, erwischte aber 
nur Toms Lineal, das zur Hälfte über den 
Tisch ragte. Auf dem anderen Ende des 
Lineals lag Toms Pausenbrot. Das Lineal 
schnellte in die Luft. Fasziniert verfolgte 
Tom die Flugbahn des Pausenbrotes. Mit 
mehreren Salti sauste es durchs Klassen-
zimmer. Sebastian donnerte mit dem Kopf 
gegen das Tischbein. Erst unter Mithilfe 
eines nassen Schwamms  kam er wieder 
auf die Beine. Das fliegende Käsebrot 
ging im Trubel um Sebastian vollkommen 
unter. 
Während Tom sich an die Käseflug-
stunde der letzten Woche erinnert, beginnt 
seine Nase erneut zu kitzeln, und schon 
entfährt ihm ein brüllender Nieser. 
Der Lehrer unterbricht die Spurensuche. 
»Willst du nicht doch lieber nach Hause 
gehen, Tom?«
»Gern«, sagt Tom hinter seinem 
Taschentuch hervor. »War aber trotzdem 
ganz gut, das ich heute zur Schule 
gekommen bin.« 
»Ich weiß ja nicht«, erwidert Herr Lück 
zweifelnd.  
»Doch, wirklich«, sagt Tom. 
Er geht zur Wandtafel und zieht sie nach 
unten. Er steigt auf einen Stuhl und beugt 
sich über den oberen Tafelrand. Tom 
zappelt mit den Beinen und kommt wieder 
in ganzer Größe zum Vorschein. Zwischen 
Daumen und Zeigefinger seiner rechten 
Hand hält er ein schmuddeliges Päckchen. 
»Was ist das denn Entsetzliches?«, fragt 
der Lehrer.
»Mein Pausenbrot von letzter Woche. 
Der Käse ist inzwischen wohl ein bisschen 
überreif. Aber ich rieche ja nichts.«
»Und wie ist das Brot hinter die Tafel 
geraten?«, fragt der Lehrer angewidert. 
»Na ja - zuerst lag das Brot auf meinem 
Lineal ...« Erneut fängt seine Nase an, ganz 
entsetzlich zu jucken. Tom winkt ab. »Tut 
mir Leid, geht nicht. Ich erzähl es später.«
Er verlässt das Klassenzimmer und 
schließt hinter sich die Tür. Er zieht die 
Oberlippe hoch, atmet durch den 
geöffneten Mund tief ein, seine Augen 
fangen an zu jucken, dann beginnen sie 
zu tränen. Einen Moment später dröhnen 
sieben Nieser durchs Treppenhaus. 

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