Leseprobe aus:
ISBN 978-3-473-52337-5
WENN ICH WILL, HÖR ICH AUF.
Ravensburger »Short & Easy« Taschenbuch
Kai
Endlich
lachte sie.
Anfangs hatte ich gedacht, sie wäre eine
von den ganz Verbiesterten. Normalerweise
brachte ich Mädchen schneller zum Lachen.
Wenn ich es darauf anlegte. Vor allem,
wenn ich so gut drauf war
wie an diesem Abend. Zugegeben
ich war nicht sofort hundertprozentig
bei der Sache gewesen. Immerhin war sie mir
in die Verhandlungen geplatzt und hatte mir
das Geschäft vermasselt.
Aber dann wurde mir schnell klar,
dass sie eine Art Herausforderung bedeutete.
Und so ein einzelnes nicht verticktes Tütchen
konnte ich verschmerzen.
War ich etwa davon ausgegangen,
dass an diesem Abend
überhaupt etwas laufen würde? Nein.
Ich hatte mich nur umsehen wollen.
Austesten, was an dieser Schule
für eine Atmosphäre herrschte. Nachdem ich
Wind von dieser komischen Schulparty
bekommen hatte, fing ich erst mal an,
mich sorgfältig umzuhören.
Gab es in der Gegend bereits jemanden,
der sich regelmäßig um die Gelegenheitskiffer
kümmerte? Gab es nicht.
Da mein finanzieller Spielraum noch ein wenig
nach oben korrigiert werden wollte,
hatte ich mich von einem Kollegen,
dessen Schwester diese Bildungseinrichtung
in guter Wohnlage besuchte,
mitschleppen lassen.
Dass ich mit Sven
gleich ins Geschäft gekommen war,
hatte sich zufällig ergeben.
Bestimmt ärgerte er sich weit mehr als ich,
dass seine Schwester dazwischengeplatzt war.
Es war garantiert sein erstes Mal.
Im Einschätzen von Kunden war ich gut.
Ich merkte sofort, wie aufgeregt er war.
Ich dagegen konnte die Sache locker sehen.
Ganz so schlecht war es um meine Finanzen
dann doch nicht bestellt.
Nachdem Mela zu Ende gelacht hatte,
schaute sie mir überraschend freundlich
und erstaunlich lang in die Augen.
Schließlich schüttelte sie den Kopf.
Nein, gekifft hat er nicht.
Papa hat gesoffen.
O Mann!, fuhr Sven seine Schwester an.
Schreib einen Bericht für die Schülerzeitung
darüber!
Oder bring es in den Nachrichten.
Offenbar war Sven die Sache peinlich.
Die Geschichte mit seinem Vater schien
ein Reizthema für ihn zu sein.
Anders konnte ich mir seinen Ton
nicht erklären. Aber wen wundert's.
Was durchgeknallte Väter anging,
brauchte mir keiner was zu erzählen.
Mein Alter ist Choleriker.
Langt gerne mal ordentlich hin.
Seit einiger Zeit hatten meine Ma und ich
das Problem allerdings von der Backe.
Anfang Oktober hatte Ma
meinen Alten endlich rausgeschmissen.
Und seitdem das Türschloss ausgetauscht war
und er sich unserer Wohnung
per Gerichtsbeschluss nur noch auf 500 Meter
nähern durfte, war Ruhe im Karton.
Ich winkte ab. Mein Vater ist ein Schläger.
Inzwischen ist Papa trocken, erklärte Mela.
Schon seit mehr als drei Jahren. Er hat es
zwar nicht beim ersten Anlauf geschafft.
Aber die Therapiegruppe hat es dann echt gebracht.
Seltsam. Erst spielte sie die Zicke,
dann breitete sie ihre Familiengeschichte
vor mir aus.
Ich zeigte hinüber zum Getränkestand.
Ein paar der üblichen Streber verkauften
Alkoholfreies.
Vermutlich zum Wohle des Vereins
zur Förderung von Kultur im Unterricht.
Wie an Schulfesten üblich.
Wollt ihr was trinken? Ich lad euch ein.
Sven schüttelte den Kopf. Nein danke,
presste er hervor. Er wandte sich ab
und ließ uns stehen.
Was hat er denn?, fragte ich Mela.
Obwohl ich genau wusste,
weshalb er sauer war.
Sie verdrehte die Augen. Er ist im Moment
einfach schräg drauf. Sonst müsste ich
ja nicht auf ihn aufpassen.
Ich prustete los. Komm jetzt nicht
mit Pubertät.
Noch nie hatte sich mir gegenüber ein Mädchen
über einen pubertierenden Bruder beklagt.
Steckst doch selber noch drin.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust
und musterte mich geringschätzig.
Falscher Spruch. Eindeutig. He, nun komm.
War ein Scherz. Du legst wohl jedes Wort
auf die Goldwaage? Ich berührte sie behutsam
am Ellbogen. Wie ich es erwartet hatte,
ließ sie sich widerstandslos
zum Getränkestand führen.
Wenn man sowieso gut drauf ist,
gelingt einem eben alles.
...
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